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Publikation "Praxishilfe: Inklusion und Teilhabe von Freiwilligen mit Behinderung"

Die im Rahmen des Projektes entstandene Praxishilfe richtet sich an Fachkräfte der Freiwilligendienste sowie an Freiwillige mit Behinderungen und deren Bezugspersonen. Sie bietet eine fundierte Einführung in die Themen Behinderung, Inklusion und Barrierefreiheit und liefert praxisorientierte Handlungsempfehlungen für ein sensibles und diskriminierungsfreies Ermitteln von Unterstützungsbedarfen. Darüber hinaus gibt sie Orientierung zu sozialrechtlich förderfähigen Unterstützungsleistungen und formuliert Leitlinien zur Sicherstellung von Barrierefreiheit und Inklusion in Einsatzstellen und Seminaren.
Ziel dieser Praxishilfe ist es, wertvolle Erkenntnisse zu vermitteln und die Grundlagen für eine inklusive und diversitätsgerechte Zukunft der Freiwilligendienste zu legen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können Barrieren überwunden und sichergestellt werden, dass alle Menschen die Möglichkeit erhalten, ihre Potenziale voll zu entfalten.

Marcel sitzt in einer Scheune auf einem Strohballen und lacht fröhlich

Marcel in seiner Einsatzstelle, der "Hof an den Teichen" in Lüneburg | Bildquelle: Maike Fellmoser, SympthieFilm

Erfolgsgeschichte: Für Marcel war das FÖJ ein Sprungbrett zum selbständigen Leben

Marcel ist 22 Jahre alt, kommt aus Baden-Württemberg und lebt mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Nach dem Besuch eines Internats und Ende seiner Schulzeit wollte sich Marcel nach Möglichkeiten außerhalb einer Werkstatt für behinderte Menschen umschauen, bei der er sich beruflich und persönlich weiterentwickeln könnte. Schon damals interessierte sich Marcel für ökologische Bereiche: „Ich wusste, dass ich etwas mit Umweltschutz machen wollte“ erzählt er.

Über Umwege stießen seine Eltern auf das Projekt „FÖJ für ALLE!“ in Niedersachsen, das vom Netzwerk alma gemeinsam mit der Alfred-Töpfer-Akademie für Naturschutz durchgeführt und über Aktion Mensch gefördert wird. Durch eine engmaschige pädagogische Begleitung sowie die Vermittlung von bio-landwirtschaftlichen Einsatzstellen für jungen Menschen mit Behinderungen war das Projekt ein passgenaues Angebot für Marcel. Nach einem Vorgespräch zum Ausloten von Marcels Interessen wurde für ihn eine Einsatzstelle gefunden: Der „Hof an den Teichen“ am Stadtrand von Lüneburg - ein Bauernhof und „Arche-Betrieb“. Zu Marcels Aufgaben gehörten die Fütterung der vom Aussterben bedrohten Tierrassen, die Ernte und Verarbeitung von Kräutern und Feldfrüchten und das Bauen von Zäunen.

Allerdings wohnte Marcel vor dem FÖJ nicht in Lüneburg – sondern bei seiner Familie in Heidenheim in Baden-Württemberg. Die Teilnahme am FÖJ war nur mit einer Unterkunft vor Ort möglich, die Marcels Bedürfnissen Rechnung trug. Durch eigene Recherche fanden seine Eltern eine inklusive, betreute WG in Lüneburg. Die Finanzierung für die Betreuung in der WG beantragte Marcel als Leistung der Eingliederungshilfe (Betreutes Wohnen) über das Landratsamt in Heidenheim. Zudem beantragte er eine persönliche Assistenz für sein FÖJ. Nach einem Termin zur Bedarfserhebung wurde sein Antrag vom Landratsamt Heidenheim als „Leistungen zur Sozialen Teilhabe“ bewilligt. Das Geld für die persönliche Assistenz wurde über ein persönliches Budget erbracht, das von Marcels Eltern verwaltet wurde. Die Förderung für die WG wurde direkt an den Träger in Lüneburg bezahlt.

Über zwölf Monate konnte Marcel viele Aspekte landwirtschaftlicher Arbeit kennenlernen: „Ich habe dort die Tiere gefüttert, gemistet und gepflegt, und ihnen Wasser gegeben“ erzählt er. „Nach sechs Monaten bin ich dann zur Arbeit mit den Pflanzen gewechselt. Ich habe Samen getopft, im Gewächshaus und in den Feldern gearbeitet, Gemüse und Kräuter geerntet. Manchmal auch Zäune gebaut. Es waren schöne Erlebnisse.“ Eine persönliche Assistenzkraft begleitete Marcel 30 Stunden pro Woche in der Einsatzstelle und half ihm dabei, der Arbeit konzentriert nachzugehen, „dran“ zu bleiben, Anweisungen zu verstehen und seine Aufgaben zu erledigen.

„Durch das FÖJ hat Marcel eine unglaubliche Selbstständigkeit erreicht“ erzählt seine Mutter Meike. „Er ist in die WG in Lüneburg eingezogen, jeden Tag alleine im Bus gefahren, kümmert sich dort selber um das Einkaufen und Essen… innerhalb eines Jahres hat er eine extreme Selbstständigkeit entwickelt, die er weder im Internat noch im Elternhaus hatte.“ Nach dem FÖJ hat Marcel sich entschieden, in seiner WG in Lüneburg zu bleiben. Dort fängt er in Oktober 2023 eine Maßnahme zur Berufsfindung an, danach soll die Berufsausbildung in einem Inklusionsbetrieb erfolgen.

Und was bedeutete das FÖJ in Lüneburg für Marcel? „Freiheit“ sagt er stolz. „Man muss nicht immer in eine Werkstatt gehen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, man muss sich nur trauen.“ Selbstbewusst und stolz geht er jetzt in Lüneburg seinen weiteren Weg. Viel Erfolg, Marcel!