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Ein junger Mann trägt ein Overall und sitzt auf einem Strohballen in der Scheune seiner Einsatzstelle.
Maike Fellmoser / sympathiefilm

Behinderung und Teilhabe im Freiwilligendienst

Der Aufgabenschwerpunkt der Koordinierungsstelle Inklusion und Diversität in den Freiwilligendiensten besteht darin, die gleichberechtigte Teilhabe von Freiwilligen mit Behinderungen zu befördern. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft. Dies soll auch in den Freiwilligendiensten realisiert werden.

Menschen mit Behinderungen sind in den Freiwilligendiensten noch unterrepräsentiert. Das liegt teilweise an strukturellen und räumlichen Barrieren, wie der Knappheit von barrierefreien Einsatzmöglichkeiten, aber auch an einstellungsbedingten Barrieren. Zudem fehlt es in manchen Fällen an Ressourcen, die für die Teilhabe mancher Menschen mit Behinderungen notwendig sind.

Damit die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in den Freiwilligendiensten konsequent gewährleistet werden kann, braucht es inklusive Rahmenbedingungen und Barrierefreiheit auf allen Ebenen: Sowohl in den räumlichen Bedingungen vor Ort, in der Kommunikation und Zielgruppenansprache, in den Haltungen und Einstellungen des Personals als auch in der Gewährung der notwendigen Ressourcen.

Mehr lesen:

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Was ist Teilhabe von Menschen mit Behinderungen?

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; Definition von Behinderung

Erfolgsgeschichte: Sarah machte ihr FSJ im Kulturamt Erlangen

Im Jahrgang 2018/2019 machte Sarah ihren Freiwilligendienst im Kulturamt Erlangen. Als Freiwillige hat sie die Konzeption einer Audio-Deskription für ein Theaterstück begleitet, das auf dem internationalen „figuren.theater.festival“ gespielt wurde.

Durch ihr Projekt im Freiwilligendienst trug Sarah dazu bei, das Theaterfestival in Erlangen ein Stück inklusiver zu machen. „Und auch, weil ich ja selbst im Rollstuhl sitze“, sagt sie. Ein Jahr arbeiten und in den Festival-Bereich reinschnuppern, das hat Sarah vom Freiwilligendienst erwartet. Und das hat sich erfüllt.

Praxisempfehlungen: Behinderung und Teilhabe in den Freiwilligendiensten

Viele Menschen mit Behinderung möchten einen Freiwilligendienst machen. Ihre Motive sind so unterschiedlich wie bei Menschen ohne Behinderung. Ihnen steht die Möglichkeit offen, sich für einen Freiwilligendienst zu bewerben und daran teilzunehmen. Damit das gelingt, können Einsatzstellen, Träger und Zentralstellen ihre Angebote durch inklusive Praktiken und Anpassungen umgestalten. Einige Beispiele, wie dies gelingen kann, zeigen wir hier.

 

Räumliche Barrierefreiheit und technische Hilfsmittel

Menschen mit Behinderungen können Barrieren in verschiedenen Kontexten in den Freiwilligendiensten begegnen, je nach der Art der Beeinträchtigung sowie Setting und Umfeld. Damit sie einen passenden Freiwilligendienstplatz finden können, ist es wichtig, sowohl Einsatzstellen und Seminarräumlichkeiten im Hinblick auf Barrierefreiheit und Eignung für Freiwillige mit jeweils verschiedenen Behinderungen zu prüfen. Dies betrifft, bspw. die räumliche Barrierefreiheit, die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV (einschließlich der Barrierefreiheit der nahliegenden ÖPNV-Haltestellen), die technische Barrierefreiheit (bei Geräten, Computern und Telefontechnik) sowie ggf. ausreichend Platz für Assistenzpersonen und Rückzugsmöglichkeiten. Manchmal sind nur kleine und kreative Änderungen nötig, um im jeweiligen Einzelfall Barrierefreiheit zu gewährleisten.

Zur Prüfung der Barrierefreiheit in verschiedenen Bereichen eignen sich folgende Arbeitshilfen:

Checkliste Barrierefreiheit für Freiwilligenagenturen“, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V.

Sammlung von Praxishilfen für bauliche Barrierefreiheit, Bundesfachstelle Barrierefreiheit.

Zu den angepassten Geräten oder technischen Hilfsmitteln, die im Bedarfsfall angemietet oder angeschafft werden können, gehören Hilfsmittel zur räumlichen Barrierefreiheit, wie z. B. eine Rampe oder ein mobiles Toilettengestell, aber auch zur Nutzung von Computern und Geräten, wie z. B. eine angepasste Tastatur, ein adaptiertes Computerhaus, ein Headset zum Telefonieren oder eine Vorlese-Software. Weitere Formen von Hilfsmitteln sind für alle Bereiche des täglichen Lebens verfügbar.

Online-Datenbank für die Suche nach assistiven Technologien, Stiftung Barrierefrei Kommunizieren.

Beratungsstellen und Unterstützungsangebote für unterstützte Kommunikation (UK), Gesellschaft für unterstützte Kommunikation e. V.

Ramp-Up.me
Ramp-up.me ist ein Projekt des Sozialhelden e.V. Das Team gibt Tipps, wie Veranstaltungen barrierefrei gestaltet werden und wie durch barrierefreie Kommunikation mehr Menschen erreicht werden können.

Kommunikation und Zielgruppenansprache

Um Menschen mit Behinderungen gezielt anzusprechen und ihnen Informationen und Anleitungen in verständlicher Weise anzubieten, ist es notwendig, potentielle Barrieren bei der Kommunikation und beim Verstehen zu berücksichtigen. Informations- und Werbematerialien in Leichter Sprache sind in der Regel viel zugänglicher für Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. geistigen Behinderungen als Materialien, die in einer alltagstypischen Sprache gedruckt werden. Andere Beeinträchtigungsformen können ebenfalls Auswirkungen auf die Kommunikation haben. Auch diese sollten bei der Erstellung von Materialien und bei mündlichen Ansprachen und Anleitungen berücksichtigt werden. Ein weiterer Punkt ist das Zeigen von Diversität, auch bei der Öffentlichkeitsarbeit. In Werbematerialien ist daher auf die Abbildung von Menschen mit verschiedenen Behinderungen zu achten.

  • Folgende Ansätze können helfen, der Vielfalt von Kommunikationsbedürfnissen gerecht zu werden:Optimierung von Webtexten für Vorlese-Software
  • Veröffentlichung von Werbe- und Infomaterialien in Einfacher Sprache und Leichter Sprache
  • Präsentation von Menschen mit verschiedenen Behinderungen in visuellen Werbematerialien
  • Verwendung sensibler Sprache, um Klischees zu vermeiden und Menschen nicht auf ihre Behinderungen zu reduzieren (zum Beispiel, lieber „Mensch mit Behinderungen“ oder „behinderter Mensch“ sagen, anstatt „die bzw. der Behinderte“)
  • Empfehlung bei Videos: Untertitel verwenden, mit schwarzem Hintergrund hinter dem Text und in gut lesbarer Schriftgröße
  • bei Bedarf Beantragung und Beauftragung von Dolmetschenden (z. B. für Deutsche Gebärdensprache, Leichte Sprache und Schriftmittlung, um eine adäquate Kommunikation sicherzustellen
  • Anwendung direkter Sprache bei der Anleitung und Gesprächsführung und Pflege einer Kultur von direkter Kommunikation

 

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Informationen zu Jugendfreiwilligendiensten in leichter Sprache
Hier wird in leichter Sprache erklärt, was ein Freiwilliges Soziale Jahr, ein Freiwilliges Ökologischer Jahr und ein Internationalen Freiwilligen Dienst sind.

Freiwillig-Ja: Leichte Sprache
Auf der Website FREIWILLIG JA werden Informationen zu den Freiwilligendienstformaten BFD; FSJ und FÖJ in Leichter Sprache bereitgestellt

Lebenshilfe Baden-Württemberg: Was Leichte Sprache bedeutet und warum sie wichtig für Inklusion und Barrierefreiheit ist
Eine Einführung in die Definition, Zielgruppen, Regeln und in den Einsatz von Leichter Sprache.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Ratgeber Leichte Sprache
Das BMAS hat in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Leichte Sprache einen Ratgeber erstellt, der Tipps und Regeln für die Verwendung von Leichter Sprache in verschiedenen Kontexten vermittelt.

BUND Deutschland: Leitfaden Einfache Sprache
Der Leitfaden des BUND Deutschland bietet Tipps und Empfehlungen für Einfache Sprache an. Die Einfache Sprache ist ein vereinfachter Sprachstil, der komplexere Elemente enthält. Es handelt sich um redaktionelle Empfehlungen, die das Verständnis eines Textes erleichtern.

Im Bewerbungs- und Vermittlungsverfahren…

Bereits im Bewerbungsverfahren können Barrieren für Menschen mit Behinderungen entstehen. Schwierigkeiten beim Lesen, Verstehen und Reden können zu Barrieren beim digitalen Bewerbungsformular sowie beim persönlichen Bewerbungsgespräch beitragen. Der erschwerte Zugang zu Schulabschlüssen, der bei vielen jungen Menschen mit Behinderung gegeben ist, kann auch zu Benachteiligung im Bewerbungsverfahren führen, wenn Schulzeugnisse angefordert werden. Zudem können Menschen mit Behinderungen Schwierigkeiten erleben, eine inklusive und barrierefrei Einsatzstellen zu finden, die zu ihren individuellen Bedürfnissen passt. Um diese Barrieren zu reduzieren, können Träger folgende Methoden anwenden:

  • Bewerbungsverfahren zentralisiert über den Träger oder die Zentralstelle gestalten, damit Bewerberinnen und Bewerber mit Behinderungen (oder jene, die von anderen Formen sozialer Benachteiligung betroffen sind) proaktiv an passende Einsatzstellen vermittelt werden können
  • Bewerbungsformulare in Einfacher oder Leichter Sprache gestalten
  • Digitale Barrierefreiheit bei digitalen Bewerbungsformularen beachten, zum Beispiel durch die Optimierung von Webinhalten für Vorlese-Software
  • Keine Schulzeugnisse anfordern – ein Freiwilligendienst ist kein Job

 

Maud Krohn, Anja Schütze (2022): „Diversität und Teilhabe in den Freiwilligendiensten Kultur und Bildung – Zugänge und Vermittlungsverfahren.“ In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE.

In diesem Artikel beschreiben die Autorinnen die Strategien, die in den Freiwilligendiensten Kultur und Bildung angewendet werden, um das Auswahl- und Vermittlungsverfahren inklusiver und diversitätsbewusster zu gestalten.

In den Einsatzstellen…

Barrieren in den Einsatzstellen können sich sowohl auf die räumlichen Bedingungen des Einsatzortes als auch auf die Einsatztätigkeit selbst beziehen. Es lohnt sich für Träger, Einsatzstellen im Hinblick auf ihre Barrierefreiheit und ihre Eignung für Freiwillige mit verschiedenen Behinderungsformen zu befragen, um die Vermittlung von behinderten Freiwilligen an geeigneten Einsatzstellen zu vereinfachen. Darüber hinaus soll ein Auge auf die Einsatztätigkeit selbst gerichtet werden: Lässt sich die Einsatztätigkeit anpassen, falls die Mobilität, Motorik oder Kommunikation der bzw. des Freiwilligen eingeschränkt sind? Gibt es Aufgaben in den Einsatzstellen, die am Bürotisch erledigt werden können, oder die sich für Menschen mit Lernschwierigkeiten eignen? Folgende Methoden können dazu beitragen,  die Einsatzstelle barrierearm zu gestalten:

  • Flexible Aufgabenprofile mit Einsatzstellen aushandeln, damit Freiwillige bei Aufgaben eingesetzt werden können, die ihren Fähigkeiten entsprechen
  • Einsatzstellen zu räumlicher Barrierefreiheit und Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen befragen
  • Einsatzstellen für Inklusion und Diversität sensibilisieren und von deren Mehrwert überzeugen
  • Beratung und Hilfe bei Antragstellung anbieten, wenn Freiwillige Assistenzleistungen oder Hilfsmittel für ihre Einsatztätigkeiten benötigen
     

Checkliste Barrierefreiheit für Freiwilligenagenturen“, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V.
Eine Checkliste für die Gestaltung und Gewährleistung von Barrierefreiheit in Angeboten der Freiwilligendienste

Im Seminarkontext…

Räumliche Bedingungen, Aktivitäten und Module in den Bildungsseminaren müssen ebenfalls auf Barrierefreiheit und Inklusivität geprüft werden. Träger sollten grundsätzlich darauf achten, dass nur barrierefreie Räumlichkeiten für Seminare angemietet werden und Aktivitäten an verschiedene Lernbedürfnisse und ggf. Einschränkungen anpassbar sind. Für mehr Informationen dazu lesen Sie den Fachbeitrag zur inklusiven Seminargestaltung.

 

Folgende Maßnahmen können zur Inklusion im Seminarkontext beitragen:

  • Grundsätzlich nur Seminarhäuser buchen, die räumlich barrierefrei und mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht zu erreichen sind
  • Inklusion und Teilhabe zum Seminarthema machen, um Freiwillige dafür zu sensibilisieren und an inklusiven Lösungsfindungen zu beteiligen
  • Inklusive pädagogische Methoden verwenden, damit Menschen mit verschiedenen Lernbedürfnissen teilnehmen können
  • Freiwillige an der Gestaltung des Seminars beteiligen und ihre Wünsche und Bedarfe bei der Planung berücksichtigen
  • Zeitliche Puffer zwischen Aktivitäten einplanen, um Druck herauszunehmen und ausreichend Zeit für verschiedene Lern- und Arbeitstempos zu ermöglichen
  • Fördermittel für zusätzliche Teamerinnen und Teamer sowie Inklusionshelferinnen und Inklusionshelfer in Bildungsseminaren beantragen
  • Module und Aktivitäten anbieten, die auf verschiedene Fähigkeiten ausgelegt sind

 

Auch im Seminarkontext können Dolmetschende und Assistenzkräfte eingesetzt werden. Hierbei können unter Umständen Förderprogramme unterstützen. 

Inklusive Seminargestaltung“, BKJ – Bundesvereinigung kultureller Kinder- und Jugendbildung e. V. (2020)

Erfolgsgeschichte: Ein Freiwilligendienst öffnete Niklas neue Türen

„Hallo, ich bin Niklas und mache derzeit meine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement im Bischöflichen Generalvikariat in Trier. Hier wurde ich als Auszubildender übernommen, nachdem ich einen Bundesfreiwilligendienst hier erfolgreich geleistet habe.

Ich bin seit meiner Geburt durch eine Tetraspastik und infantile Zerebralparese behindert. Ich mag es, lieber einfach „behindert“ zu sagen, anstatt mit anderen Begriffen die Tatsache umständlich zu umschreiben. Ich bewege mich in einem Elektrorollstuhl und bin auf Unterstützung bei fast allen Aufgaben angewiesen.