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Niklas uns Stefan an einem großen Schreibtisch, Stefan bedient den Computer mit Monitor, mouse und Mikrofon
Inge Hülpes / Bistum Trier

Teilhabe- und Assistenzleistungen im Freiwilligendienst

Für manche Menschen mit Behinderung ist die Teilnahme an einem Freiwilligendienst nur mit persönlicher Assistenz, Hilfsmitteln oder Mobilitätshilfen möglich. Andere Freiwillige benötigen beispielsweise Unterstützung bei der Kommunikation, wie Gebärdensprachdolmetschen. Solche Assistenz- und Hilfsleistungen werden im deutschen Sozialrecht „Teilhabeleistungen“ oder „Leistungen zur Teilhabe“ genannt.

Diese Leistungen können grundsätzlich für Freiwilligendienste über staatliche Kostenträger beantragt und gefördert werden, um Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, selbstbestimmt an Freiwilligendiensten teilzunehmen. Allerdings ist nicht immer klar, welcher Kostenträger dafür zuständig ist. Die Gewährung dieser Leistungen im Kontext von Freiwilligendiensten ist nicht garantiert, sondern liegt im Ermessen des Kostenträgers und ist von der Situation der individuellen Person abhängig. 

Um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in den Freiwilligendiensten zu fördern oder zu ermöglichen, können Träger bei der Beantragung von Leistungen zur Teilhabe unterstützen. Außerdem bietet die Koordinierungsstelle Beratung und Hilfe bei der Beantragung von Teilhabeleistungen für die Teilnahme an einem Freiwilligendienst an. 

Was sind Teilhabe- und Assistenzleistungen?

Um ihre gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu gewährleisten, haben Menschen mit Behinderungen das Recht, Leistungen zur Teilhabe zu erhalten. Hierzu gehören die sogenannten Leistungen zur Teilhabe an Bildung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Diese umfassen die verschiedenen Hilfestellungen für Menschen mit Behinderungen, wie auch zum Beispiel Mobilitätshilfen, Fahrdienste, Assistenzleistungen, technische Hilfsmittel sowie Gebärdensprachdolmetschen.

Die Leistungen zur Teilhabe sind im Sozialgesetzbuch IX geregelt und werden von staatlichen Kostenträgern finanziert, wie beispielsweise den kommunalen Trägern der Eingliederungshilfe oder der Bundesagentur für Arbeit. Da Freiwilligendienste keine Arbeitsverhältnisse darstellen, sind normalerweise die kommunalen Träger der Eingliederungshilfe für deren Gewährung zuständig.

Folgende Leistungen zur Sozialen Teilhabe werden im SGB IX definiert und können in Einzelfällen für Freiwilligendienste gefördert werden:

  • § 76 Leistungen zur Sozialen Teilhabe – umfassen die unten aufgelisteten Leistungen und mehr:
  • § 77 Leistungen für Wohnraum – falls die Unterbringungen in einer betreuten Wohnform während des Freiwilligendienstes notwendig ist, können Leistungen für Wohnraum in Einzelfällen erbracht werden. Hierzu zählen bspw. ambulant betreutes Einzelwohnen und die Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe.
  • § 78 Assistenzleistungen – hierzu gehören sowohl einfache, kompensatorische persönliche Assistenzleistungen als auch qualifizierte, pädagogische Assistenzleistungen. Assistenzleistungen werden unmittelbar durch eine begleitende Assistenzperson („Assistenzkraft“) erbracht. Assistenzleistungen können auch bei der Kommunikation unterstützen, zum Beispiel durch die Übersetzung in Leichte Sprache oder Gebärdensprache.

  • § 81 Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten – diese Leistungen werden insbesondere erbracht, um Menschen mit Behinderungen die Teilhabe an pädagogischen Maßnahmen (z. B. Fördergruppen oder Schulungen) zu ermöglichen, um praktische Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Sie können auch durch begleitende Assistenzpersonen erbracht werden.
  • § 82 Leistungen zur Förderung der Verständigung – hierzu gehören sowohl Gebärdensprachdolmetschende als auch andere geeignete Kommunikationshilfen, wie zum Beispiel Geräte zur unterstützten Kommunikation (UK).
  • § 83 Leistungen zur Mobilität – unter dieser Rubrik können behindertengerechte Fahrdienste und andere Mobilitätshilfen gefördert werden.
  • § 84 Hilfsmittel – hierzu können verschiedene Formen von technischen Hilfsmitteln, Geräte oder digitale Anwendungen zur Barrierefreiheit zählen, wie z. B. eine angepasste Tastatur, eine Rampe, ein mobiles Toiletten-Gestell oder eine Vorlese-Software. 

Gute Praxis: Das Projekt „Freiwilliges Ökologisches Jahr für ALLE“ in Niedersachsen

Ein Beispiel guter Praxis ist das Projekt „FÖJ für ALLE!“ des Netzwerkes alma – Arbeitsfeld Landwirtschaft mit allen – in Niedersachsen.

Praktische Hinweise zur Beantragung von Leistungen zur Teilhabe

Anträge auf Leistungen zur Teilhabe über staatliche Kostenträger müssen von der bzw- dem Freiwilligen oder deren Personensorgeberechtigten selbst gestellt werden, ggf. mit Unterstützung. 

Ein Antrag kann an das zuständige Sozialamt, an die Bundesagentur für Arbeit oder einen anderen staatlichen Kostenträger gerichtet werden. Falls der Mensch mit Behinderung bereits eine zuständige Sachbearbeitung beim Träger der Eingliederungshilfe hat, kann der Antrag direkt bei dieser Person eingereicht werden. Dabei sollten der jeweilige Bedarf sowie die beantragten Leistungen in möglichst genauem Umfang erläutert werden. Idealerweise legen Antragstellende eine Kostenkalkulation bei. Um diese zu erstellen, können Träger der Freiwilligendienste oder die Leistungsberechtigen sich vorab Angebote für erforderliche Leistungen einholen. 

Es empfiehlt sich, die Anträge schriftlich zu stellen.

Sollte das Amt bzw. der Kostenträger nicht für die Gewährung der beantragten Leistungen zuständig sein, muss der jeweilige Kostenträger gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX die Zuständigkeit innerhalb von zwei Wochen selbst klären und den Antrag unverzüglich weiterleiten. Somit liegt es nicht in der Verantwortung der antragstellenden Person, die Trägerzuständigkeit zu klären.

Bei der Beantragung von Leistungen zur Teilhabe empfiehlt es sich, auf diese Ansprüche hinzuweisen. Sollten mehrere Kostenträger an der Gewährung der Leistungen beteiligt sein, können Antragstellende die Initiierung eines Teilhabeplanverfahrens und einen baldigen Termin zur Bedarfserhebung anfordern.

Menschen mit Behinderungen können Beratung und Hilfe bei Antragstellungen über die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) erhalten. EUTB-Stellen gibt es in den meisten Städten Deutschlands. Auf der Webseite der EUTB können Sie nach einer EUTB-Stelle in Ihrer Nähe suchen. 

Auch die Koordinierungsstelle Inklusion und Diversität bietet Beratung zur Beantragung von Leistungen zur Teilhabe für Freiwilligendienste an.

Erfahren Sie hier mehr über unser Beratungsangebot.

BMFSFJ Pilotprojekt „Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an einem Freiwilligendienst.“

Sofern der Unterstützungsbedarf der freiwilligendienstleistenden Person mit Behinderung nicht bereits durch einen, nach dem SGB anerkannten, Sozialleistungsträger gedeckt wird oder gedeckt werden kann, besteht bis Ende 2024 die Möglichkeit, Mittel über das Pilotprojekt des BMFSFJ zur „Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an einem Freiwilligendienst“ zu beantragen. Das Pilotprojekt fördert insbesondere Leistungen, die für die pädagogische Begleitung und die Teilnahme an Bildungsseminaren notwendig sind.

Für Jugendfreiwilligendienste (FSJ und FÖJ) können nur Träger Anträge über das Pilotprojekt stellen. Im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes (BFD) können sowohl Einsatzstellen und selbstständige Organisationseinheiten (SOE) als auch Träger die Leistungen beantragen.