Adressat*innenkreis Dieses Dokument richtet sich an Fachkräfte bei Trägerorganisationen und Einsatzstellen, die Freiwilligendienste für Menschen mit und ohne Behinderung gestalten und begleiten. Ziel ist es, Träger und Einsatzstellen im Bereich inklusiver Freiwilligendienste in der Kommunikation zu stärken und den gemeinsamen Prozess der Organisationsentwicklung zu fördern.
Bedeutung der inklusiven Einsatzstellenarbeit Damit Inklusion und Diversität in den Freiwilligendiensten erfolgreich umgesetzt werden, ist die aktive Beteiligung und Zusammenarbeit zwischen Einsatzstellen und Trägern unverzichtbar. Die Einsatzstellen sind zentrale Lernorte, an denen Freiwillige nicht nur Erfahrungen sammeln, sondern auch Einblicke in unterschiedliche Arbeitsfelder erhalten. Daher ist ein enger Austausch zwischen Trägern und Einsatzstellen notwendig, um inklusive Konzepte zu entwickeln, die alle Beteiligten sensibilisieren und auf Inklusion vorbereiten.
Obwohl viele Einsatzstellen den Anspruch haben, inklusiv und divers zu arbeiten, stehen sie oft vor praktischen Herausforderungen. Der alltägliche Arbeitsdruck, Fachkräftemangel und krankheitsbedingte Ausfälle erschweren es, neue Projekte, wie die inklusive Anpassung der Strukturen, anzustoßen. Hier ist es wichtig, Inklusion als kontinuierlichen Prozess zu betrachten, der in kleinen Schritten umgesetzt werden kann und in verschiedene Bereiche der täglichen Arbeit integriert werden sollte.
Um Einsatzstellen aber auch Trägern die Vorteile von Inklusion und Diversität näher zu bringen gibt es unterschiedliche Argumentationsstrategien:
- Normative Ansätze: Inklusion und Diversität fördern soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung. Diese Werte sind oft in den Leitbildern der Einsatzstellen verankert und werden durch rechtliche Rahmenbedingungen, wie die UNBehindertenrechtskonvention, gestützt.
- Wirtschaftliche Argumente: Diversität bereichert Organisationen und kann ein wertvolles Potenzial darstellen. Inklusive Freiwilligendienste ermöglichen es Einsatzstellen, neue Zielgruppen zu gewinnen und junge Menschen für verschiedene Berufsfelder zu interessieren. Hinzu kommt, dass inklusive Teams eine höhere Leistungsbereitschaft und Produktivität zeigen, da sich Mitarbeitende oft mehr wertgeschätzt fühlen und motivierter sind. Die dadurch entstehende höhere Mitarbeiter*innenzufriedenheit kann der Fluktuation, die vor allem in sozialen Organisationen sehr hoch ist, entgegen wirken. Studien zeigen auch, dass junge Menschen bei der Arbeitgeberwahl/Einsatzstellenwahl vermehrt Wert auf Inklusion und Vielfalt legen. Die Attraktivität der Einsatzstelle durch eine gelebte, diverse Kultur wird somit gesteigert.1
- Persönliche Ansätze: Inklusion und Diversität wirken auf persönlicher Ebene. Sensibilisierung gelingt besser, wenn die Fachkräfte auf Augenhöhe angesprochen werden und ihnen konkrete Beispiele und Erfolgsgeschichten aus der Praxis vermittelt werden. Erfahrungen und Erfolgsgeschichten von anderen Einsatzstellen/Trägern sind inspirierend, nehmen die Sorge vor der Herausforderung und können konkret zeigen, wie Inklusion und Diversität umgesetzt werden können.
Trägerunterstützung für inklusive Freiwilligendienste
Der Freiwilligendienst sollte für alle Beteiligten als Gelegenheit zum gemeinsamen Lernen verstanden werden. Freiwillige sind primär dafür da, sich auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Sie dürfen nicht als zusätzliches Personal betrachtet werden, das feste Aufgaben übernimmt. Es ist essenziell, dass Träger den Einsatzstellen zur Seite stehen und Unterstützung anbieten – sei es durch Ansprechpersonen, Schulungen oder durch konkrete Hilfe bei der barrierefreien Gestaltung der Einsatzstellen.
Empfohlene Maßnahmen zur Unterstützung durch Träger
- Ansprechpersonen und Schulungsangebote: Träger sollten eine feste Ansprechperson für Fragen zu Inklusion und Diversität benennen und regelmäßige Schulungen anbieten.
- Unterstützung bei Anpassungen: Die aktive Hilfe bei der inklusiven Gestaltung von Einsatzstellen, z. B. für Freiwillige mit Behinderungen, kann das Engagement der Fachkräfte in den Einsatzstellen stärken.
- Austausch und Vernetzung: Der Austausch zwischen Trägern und Einsatzstellen sollte aktiv gefördert werden, um Unsicherheiten und Hemmungen abzubauen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu etablieren.
- Sensibilisierung und kollegiale Beratung Nach einer ersten Sensibilisierungsarbeit können Träger und Einsatzstellen eine Vernetzung zwischen bereits aktiven inklusiven Einsatzstellen fördern. Eine kollegiale Beratung zwischen Einsatzstellen hilft, Unsicherheiten abzubauen und zeigt den Fachkräften in den Einsatzstellen, wie Inklusion im Alltag umgesetzt werden kann.
Umgang mit spezifischen Bedarfen und Barrieren
Ein inklusiver Freiwilligendienst bedeutet auf die spezifischen Bedarfe von Freiwilligen einzugehen und die Prozesse immer wieder auf die Bedürfnisse anzupassen. Es gibt also nie den richtigen Weg oder den hundertprozentig inklusiven Freiwilligendienst. Bedarfe von Freiwilligen sind immer unterschiedlich und so individuell wie die Freiwilligen selbst. Deshalb ist es wichtig ins Gespräch mit den Freiwilligen zu kommen und konkrete Bedarfe abzufragen. Viele Einsatzstellen sind bereit, diverse Freiwillige mit Behinderungen oder Diskriminierungserfahrungen aufzunehmen. Unsicherheiten entstehen jedoch oft im Umgang mit Freiwilligen, die intensivere Anleitung benötigen. Hier ist eine gezielte Sensibilisierung wichtig. Wenn Freiwillige aufgrund einer Behinderung eine 1:1-Betreuung benötigen, kann z. B. eine persönliche Assistenz beantragt werden. Diese Informationen, die auch auf der Webseite der Koordinierungsstelle zu finden sind (https://www.freiwilligendienste-fuer-alle.de/arbeitshilfenund-ressourcen/teilhabe-und-assistenzleistungen-im-freiwilligendienst), müssen auch an die Fachkräfte in den Einsatzstellen weitergegeben werden. Zudem müssen die Fachkräfte immer wieder ermutigt werden proaktiv auf die Freiwilligen zuzugehen, nachzufragen und Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Vermittlung und Matchingprozesse für inklusive Einsatzstellen
Je nach Struktur der jeweiligen Organisationen und Freiwilligendienstformate, bewerben sich potenzielle Freiwillige entweder beim Träger oder direkt bei einer Einsatzstelle.
Läuft das Bewerbungsverfahren über den Träger, können Fachkräfte des Trägers nach potenziellen Unterstützungsbedarfen oder Bedürfnisse fragen. Somit kann der Träger ein Profil des*r Interessent*in und deren Bedarfe an Unterstützung und Barrierefreiheit erarbeiten. Auf dieser Grundlage kann geprüft werden, welche Einsatzstellen zu den individuellen Bedarfen, Interessen und Wünschen der*s Interessent*in passen.
Mit dem Einverständnis der*des Freiwilligen sollte kommuniziert werden, welche Anforderungen bzgl. Barrierefreiheit erfüllt werden müssen, sowie andere relevante Informationen, z. B., ob die Person eine Assistenzkraft mitbringt oder für welche Aufgaben die Person geeignet wäre. Die Prüfung der Barrierefreiheit kann durch eine Vor-Ort-Begehung, die Anwendung von Checklisten, eine Hospitation mit der*dem Freiwilligen oder eine Kombination der drei Methoden erfolgen. Wenn Träger die Möglichkeit dazu haben, können sie auch die Rahmenbedingungen bzgl. der Barrierefreiheit bei ihren jeweiligen Einsatzstellen abfragen und diese Informationen in einer Tabelle oder Datenbank speichern. Dies kann die Suche nach geeigneten Einsatzstellen vereinfachen, da in erster Linie der Träger die eigene Datenbank konsultieren kann, um eine Kurzauswahl passender Einsatzstellen zu treffen, bevor er individuelle Einsatzstellen kontaktiert. Erfolgt das Bewerbungsverfahren direkt über die Einsatzstelle, obliegt es den Fachkräften in der Einsatzstelle zu überprüfen, ob ihre Räumlichkeiten und Aufgaben für die sich bewerbende Person barrierefrei, zugänglich und geeignet sind. Auch hier gilt es sensibel und diskriminierungsfrei nach den Bedarfen und Bedürfnissen der Freiwilligen zu fragen.
Inklusive Freiwilligendienste gelingen dann, wenn Träger, Einsatzstellen und Freiwillige bzw. Personen, die an einem Freiwilligendienst interessiert sind, im regelmäßigen Austausch stehen und die Prozesse schrittweise und an die Bedürfnisse aller Beteiligten angepasst werden. Ein erfolgreicher inklusiver Freiwilligendienst stärkt das Engagement für soziale Gerechtigkeit und bietet Einsatzstellen die Chance, Diversität und Inklusion als wesentliche Bestandteile der Organisationskultur zu leben.
1 Vgl. IU Internationale Hochschule, IU Studie 2024. Diversity und Inklusion. Muss oder Kann. Vielfalt in Unternehmen, https://www.iu.de/forschung/studien/diversity-und-inklusion/